Freitag, 9. Februar 2024

.funkenmarie | leseprobe

Deine Zukunft liegt im Geist deiner Vergangenheit.

Nach achtzehn Jahren kehren die naive Marie und ihr Mann David mit dem inzwischen fast erwachsenen Sohn Phil aus ihrem Exil in Hamburg, in das man sie nach Bekanntwerden ihrer frühen Schwangerschaft geschickt hatte, in ihre alte Heimat zurück. Während David in der Hansestadt Karriere machte, hütete Marie Kind und Haus und verlor nicht nur den Kontakt zu ihren alten Freunden, sondern auch dem Rest der Welt.

Ein Klassentreffen und die damit verbundene Konfrontation mit ihrer Vergangenheit und den Furchtbaren Vier bringen Maries Gefühle in Aufruhr, denn sie erinnern sie an den Menschen, der sie einmal war. 

Marie flüchtet sich in die Anonymität eines Chatrooms, wo BigDaddy ihr Vertrauen gewinnt. Schritt für Schritt gewinnt sie ihr Selbstvertrauen zurück. Und Schritt für Schritt kommt sie BigDaddy näher. Näher als sie dachte...


KAPITEL eins

Beispielhaft unmotiviert saß ich zwischen unzähligen Umzugskartons und fischte träge eine Zigarette aus der bereits arg mitgenommenen Schachtel. Ich zündete sie an, inhalierte tief den Rauch und stieß ihn in kleinen Wolken wieder aus, während mein Blick gedankenverloren durch das Wohnzimmerfenster fiel. Ich hatte es unmittelbar nach dem Aufstehen geöffnet, um die frische, kühle Morgenluft, der noch ein Hauch von Ruhe und Besinnlichkeit der vergangenen Nacht anhaftete, ins Haus zu lassen. In weniger als einer Stunde würde die Sonne wieder alles daransetzen, jedes Zimmer bis ins Unerträgliche aufzuheizen.

Ich holte mit weit aufgerissenem Mund Luft, schloss ihn wieder, während ich gleichzeitig ausatmete, und unterdrückte einen Brummlaut. Gähnen ist ein stiller Schrei nach Kaffee. Bevor ich hier also auch nur einen Finger krumm machen konnte, brauchte ich einen Kaffee.

Die Maschine befand sich definitiv in einem der Kartons. Allerdings war ich zu müde und mir meines heutigen Arbeitspensums zu bewusst, als dass ich jetzt mit der Suche danach beginnen würde oder sollte. Der Papierstapel auf dem Küchentisch erinnerte mich schließlich an die Gratisprobe Cappuccino in einer Postwurfsendung.

Während ich auf das stärker werdende Gurgeln des Wasserkochers wartete, schweifte mein Blick abwesend über das Interieur. Ich war dankbar für den relativ zeitgemäßen Geschmack meiner Schwiegermutter. Zwar hatte das Haus nach ihrem Tod vor sechs Monaten eine intensive Reinigung nötig, dafür blieben größere Reparaturarbeiten aus. Erst vor drei Jahren wurde die Küche renoviert und das gesamte Mobiliar erneuert. Auch das Wohnzimmer war ansehnlich. Momentan zwar noch eingeschränkt, da sich dort unser kompletter Hamburger Hausstand stapelte. Aber das sollte sich schließlich heute ändern. Daher musste ich allmählich in die Gänge kommen.

Erfolglos sah ich mich nach einem Aschenbecher um. Die vertrockneten Orchideen auf der Fensterbank sahen so traurig aus, dass ich es nicht übers Herz brachte, die heiße Glut in das Substrat aus Pinienrinde, Torf und Perlit zu rammen und ihnen dadurch womöglich den Todesstoß zu verpassen. Also löschte ich die Glut unter fließendem Wasser und kickte den Stummel zielsicher durchs Küchenfenster auf den Komposthaufen.

Wie heimelig hier alles war. Ganz anders als in der betriebsamen Hansestadt Hamburg, in der ich die letzten siebzehn Jahre lebte. Die Vögel trällerten aus voller Kehle, kaum ein Auto unterbrach den Gesang. Stress und Hektik schienen hier alle Tore verschlossen zu sein. Sanft wogten sich die Blätter des Kirschbaums im Wind und schickten mir eine kühle Brise. Ich war wieder zu Hause. Oder würde es zumindest irgendwann sein.

Ich rührte meinen Cappuccino auf und warf, während er abkühlte, einen Blick in den Vorratsraum. Ernas Sinn für Ordnung und Organisation war vorbildlich. Und so gab es nichts, das meine Schwiegermutter nicht nur nicht im Haus gehabt hätte. Alles stand auch an seinem vorgesehenen Platz. Herzlichen Dank für Lappen, Eimer, Schrubber und eine ganze Armee Putzmittel. Fehlte nur noch Motivation.

Diese wollte sich auch dann nicht einstellen, als mein Handy klingelte.
„Schon ausgepackt?“, drängte sich Davids Frage nervig in mein Ohr. Für einen körperlich so beeindruckenden Mann war seine Stimme ungewöhnlich hoch. 
„Natürlich“, blaffte ich. „Rasen habe ich auch schon gemäht.“ Für wen hielt er mich denn? Schneewittchen und die sieben Zwerge?
Am anderen Ende der Leitung war außer einem schwachen Schnauben nichts zu hören.
„Ich bin doch schon dabei“, lenkte ich rasch ein. „Aber es ist...“
„Ich wollte nur sagen, dass der Klempner vorbeikommt“, schnitt er mir harsch das Wort ab. „Heute Vormittag noch.“
Der scharfe Ton machte klar, dass ich wenigstens im Badezimmer für Ordnung sorgen sollte, wenn ich sonst schon nichts auf die Reihe bekam.
„Hmhm. Danke.“
„Ich weiß nicht, wann ich heute nach Hause komme.“
Dachte ich mir, dachte ich mir und antwortete mit einem unverfänglichen „Okay“.
KAPITEL zwei

Siebzehn Jahre waren David und ich verheiratet.

Als er mich an jenem Samstag auf einer dieser typisch ländlichen Discoparties abschleppte, wusste ich zwar, dass ich nicht mehr als ein frustrierender Ersatz war. Doch die Vorstellung, vom begehrtesten Jungen unseres Kaffs heute Nacht zur Frau gemacht zu werden, ließ mich jegliche Selbstachtung vergessen. 

Zweifelsohne erfüllte es mich mit Stolz, dass seine Wahl auf mich fiel. Marie, das fünfzehnjährige Mauerblümchen, war ihm aufgefallen. Mir kam nicht eine einzige Sekunde in den Sinn, ich könne nur zufällig seinen Weg gekreuzt haben. Einen Weg des Frusts. Einen Weg der Wut und des Ärgers darüber, seine damalige Freundin am Abend zuvor in den Armen eines anderen gefunden zu haben.

David nahm meine Hand und ich folgte ihm mit vor Stolz gerecktem Kinn, vorbei an den neidischen Blicken der anderen Mädchen, nach Hause. Sein Zimmer im oberen Stock des elterlichen Wohnhauses war spärlich und mit unerträglich bunten Discolampen erleuchtet.
Ich verharrte steif am Eingang und beobachtete, gleichermaßen verängstigt wie hingerissen, wie David zuerst Schuhe und Socken abstreifte, dann das T-Shirt über den Kopf zog und anschließend den Verschluss der Jeans öffnete, die viel zu schnell von seinen Hüften glitt – bis er schließlich vor mir stand. Wie Gott ihn schuf. Nur mit Slip.

Ich schnappte nach Luft. Der Anblick seines Рdamals wie heute noch Рmakellosen K̦rpers versetzte meine Hormone in hellste Aufregung. Meine Nerven vibrierten.
David war fünf Jahre älter als ich und überragte mich mit Einsneunzig um mehr als zwanzig Zentimeter. Das kurze, kastanienbraune Haar stand wild und rebellisch in alle Richtungen ab. Er hatte eine flache, breite Stirn und tiefliegende, wundervoll geschwungene Augenbrauen, unter denen geheimnisvoll die tiefbrauen Augen hervorblitzten. Seine schmalen Lippen bewegten sich selbst beim Sprechen kaum. Aber er war ohnehin kein Mann vieler Worte. 

Flachbrüstig und verzagt stand ich vor diesem Adonis und bekam vor Aufregung so furchtbar feuchte Hände, dass ich sie unauffällig unter meine Achseln klemmte. 
David war zu schön, um wahr zu sein. Die Muskeln seiner breiten Schultern zuckten wie die Schenkel eines galoppierenden Pferdes, als er mit nur zwei Schritten bei mir war. Er neigte den Kopf nach vorn, nahm mein Kinn zwischen Zeigefinger und Daumen und legte die Lippen auf meine. Als sich seine Zunge in meinen Mund schob, durchströmte ein heißes Prickeln meinen Bauch.
Seine Hände legten sich fest auf meinen Po und pressten mich ruckartig an seinen Unterleib. Wieder schnappte ich nach Luft. Das Wissen um meine mangelnde Erfahrung ließ mich augenblicklich erstarren. 
David seufzte. Wortlos schob er mich von sich und begann dann zügig, mir Top und Hose vom Körper zu streifen. Einem Körper, der mit der Pubertät nicht recht Schritt gehalten hatte. Die Enttäuschung darüber stand David ins Gesicht geschrieben.
Er nahm meine Hand und führte sie mit sanftem Nachdruck in seinen Slip. Erschrocken fuhr ich zusammen, als das warme, weiche Fleisch meine Haut berührte und zu zucken begann. Panisch ließ ich sämtliche Artikel der Dr. Sommer Rubrik aus der Jugendzeitschrift BRAVO in meinem Gedächtnis Revue passieren. 
Reibe einfach, sagte die Stimme in meinem Kopf. Also umfasste ich mit der ganzen Hand das Geschlechtsorgan und rieb. Vor und zurück – die Geschwindigkeit proportional zur Größe steigernd, die es allmählich annahm. 
Davids Atem beschleunigte sich. Ungeduldig schob er meinen Samstagsbaumwollschlüpfer nach unten und mich auf sein kleines Jugendzimmerbett.   

Meine freudige Erwartung wich der Angst vor dem, was nun unweigerlich folgen würde. Ich dachte unvermittelt an meine beste Freundin Sanne, und die Scherze, die wir beim Anblick ihres halbnackten Zwillingsbruders Oliver gemacht hatten. Ich dachte auch an die Leserbriefe der BRAVO, in denen junge Mädchen ihre Ängste und Erfahrungen zum berühmten ersten Mal schilderten. Panik stieg in mir auf.

Bevor ich meiner Angst verbal Ausdruck verleihen konnte, drängte sich Davids Zunge erneut in meinen Mund. Seine Hand rieb über meine Scham, während er mit dem Ellenbogen meine Schenkel spreizte. 

Jetzt. Jetzt würde es passieren. Und danach könnte ich voller Stolz meiner besten Freundin erzählen, dass ich in dieser Nacht zur Frau wurde.

Meine Hormone stimmten bereits die Fanfaren, als hartes Fleisch einen sehr trockenen Weg in meine Vagina zu finden suchte. David knurrte und rieb mit dem Daumen meine Klitoris, bearbeitete meine untere Region grob, doch mit erwünschtem Erfolg. 
Wahrscheinlich passt er überhaupt nicht rein, dachte ich betrübt. Während ich mich fragte, ob es so etwas wie Normgrößen gab, durchfuhr mich jäh ein stechender Schmerz vom Unterleib bis in den Kopf, als David mit beinahe brachialer Gewalt in mich eindrang. Durch einen Tränenschleier erkannte ich Davids angespannte Miene. Er sah wütend aus.
Da musst du durch, redete ich mir während der nächsten fünf Stöße ein, von denen jeder einzelne mich wie ein Hammerschlag traf.

„Alles okay?“, keuchte David und nahm mein Gesicht in seine Hände. Die Arme stützte er links und rechts von meinem Kopf ab.
Ich bohrte meine Finger in seine breiten Schultern und nickt gequält, während er seine Hüfte kreisen ließ. 
Gleich würde er kommen, der Höhepunkt, das ultimative Glücksgefühl. Ganz sicher.
In dieser Hoffnung hob ich David auffordernd mein Becken entgegen, er stieß noch fünfmal zu, um Sekunden später unter lautem Stöhnen auf mir zusammenzusinken. 
Ich spürte ihn in mir pulsieren und war erleichtert, als er allmählich wieder klein und weich und damit weniger beängstigend wurde. 

Danach richtete David sich wortlos auf und schlich über den Flur ins Badezimmer gegenüber. Er wirkte erleichtert und auf eine knurrige Weise zufrieden.
Alles was mir blieb, war ein anhaltender Schmerz im Unterbauch und diese klebrige Masse aus überflüssigen Spermien und Blut. Zitternd und reglos wartete ich auf Davids Rückkehr.
„Scheiße. Jungfrau“, raunte er und reichte mir Küchenpapier und eine Cola.

Das war sie also, die schönste Nebensache der Welt. Aha. Selbstverständlich schilderte ich meinen Freundinnen dieses sensationelle Ereignis in den schillerndsten Farben. Fantasie? Kann ich. Ich schmückte das erste Mal mit David so lange so großartig aus, bis ich es selbst glaubte. Wahrscheinlich, um mich darüber hinwegzutrösten, dass sich David und seine verflossene Liebe bereits am darauffolgenden Wochenende wieder annäherten. Zu einer vollständigen Aussöhnung sollte es jedoch nicht kommen – denn sechs Wochen später war klar, dass unsere nächtliche Exkursion in die Welt der körperlichen Liebe nicht ohne Folgen geblieben war.

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